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Wenn man einen Garten pfleglich behandelt, dann wächst auch etwas darauf. Aber wie gesagt, es bedarf einer gewissen Pflege: der Mauerblümchen, der Rosen, der Narzissen, der Tulpen und sogar der Kakteen. Sogar das Unkraut hat etwas Gutes in einem solchen Ökosystem beizutragen. Aus einem gut gepflegten Garten entwuchs auch die Andy Brings Band. Im ZDF Fernsehgarten im Sommer 2019 stellten sich sechs Halunk*innen hin und machten schlicht Liebe: mit sich selbst, dem Publikum vor Ort, der eigenen Historie und den Menschen vor der Röhre. Mit einem extrem detailverliebten Cover von Andy Borgs "Die berühmten drei Worte" löste diese Besetzung eine der dämlicheren Fußnoten der jüngeren Fernsehgeschichte unmittelbar ab und servierten ein Zitat-Geballer aus Sex Pistols, Queen und nochmal Sex Pistols a la carte. Allzu scheiße sahen diese Piraten dabei übrigens auch nicht aus. Ein Fernsehmoment für die Ewigkeit.
Die Reaktionen waren eindeutig. Playback-Huren! Rock-Verräter! Nicht-Musiker! Widerwärtig! Die Bilanz war daher auch eindeutig: jeder hatte es gesehen und hatte entsprechend eine Meinung dazu. Deutschland eben, gähn. Na klar, Tier-Geräusche und Bananen wirken einfach besser. Also verzog sich diese Gang wieder in die Versenkung zurück, never to be heard of again...
Die Weltmeere spülten sie rund zwei Jahre später nach Süden, genauer gesagt nach Valencia in Spanien. Denn dort befinden sich die Rockaway Studios, um exakt zu sein in Castellon de la Plana, unweit der genannten, siebtschönsten Stadt Europas. Andy Brings hatte in der Zwischenzeit seine Singles "Raumschiff nach Hawaii" und "TikTak" veröffentlicht und rannte weiterhin konsequent dem Sodom seiner Vergangenheit davon. Nicht ohne sich dem zu stellen, eine Konfrontation, die Ende 2019 zu einem körperlich wie seelischen Kollaps führte. Ein Arzt konnte dies nicht richten, nur er selbst...
Das Universum macht allerdings keine Fehler und so war es zumindest ein Hintergrund-Arzt, der das Pflaster auf die vielen Schußwunden legen sollte.
Der längst verdient ins Private zurückgezogen lebende, legendäre Produzent Uwe Hoffmann (Die Ärzte, Sportfreunde Stiller u.a.) hatte nochmal Bock und bot an, der Andy Brings Band ein Album zu produzieren, vorausgesetzt eben, die Band käme zu ihm an die Mittelmeer-Küste. Dies bitte einmal sacken lassen. Es wurde kurzum also ein Haus an der Costa Blanca angemietet in dem beraten, geschwoft, geprobt, sehr gut gegessen und einfach gemacht wurde.
Von dieser Base aus tingelte diese Band täglich ins nahe gelegene Studio, um goldene Spuren einzuspielen, einzusingen, einzutrommeln, einzufühlen. Ein endlos motivierter lokaler Engineer saß jeden Tag an der analogen Konsole und friemelte minutiös zurecht, was im Aufnahmeraum in den Äther gepustet wurde. Wir sprechen hier von einer Produktion ohne jegliche Overdubs. Die Gitarren sind tradionell im Panorama angelegt. Nur dass man sich eben gegönnt hat, diese jeweils durch 5 (!) aufgerissene Halfstacks zu schieben. Es war laut, es wurde Luft bewegt.
Andy Brings, fauler und träger Rockstar wie gewohnt, ruhte sich auf den Lorbeeren seiner Vergangenheit aus und spielte in Badehose das ganze Ding an einem Tag ein, fahstehste? Schließlich ist der Süden seine Seelenheimat, eine die er heimsucht, sobald es die Zahlen und die Zeit erlauben.
Die Mitmusiker auf diesem Album das nur scheinbar zufällig deutschsprachig geraten ist, sind auch keine unbeschriebenen Telefonbücher. Man kann sie nicht mehr zerreißen, es wurde sehr oft versucht. Die Lead-Single Rock'n'Roll erzählt unter anderem hiervon.
Ganz bestimmt könnte Vic Chains zwar Telefonbücher mit einer Pranke zerreißen. Der Drummer dieses Herzensprojekts aber möchte viel lieber Schwertfisch essen, Abends am Grill, begleitet von Zikaden und der salzigen Luft des Meeres. Wenn Gitarrist Thilo Hornschild ihm denn einen Bissen übrig ließe. Beide spielten ihre Parts in rund 2 Tagen ein, schließlich war man im Süden, Andy Brings hatte es ihnen möglich gemacht. Andys langjähriger Sidekick Slick Prolidol hatte da schon längst seine Tracks eingespielt - normal - und schwamm morgens seine Runden im Mittelmeer. Stage Left, merkt euch das. Sonst hilft euch das Tattoo auf seinem rechten Unterarm auf die Sprünge.
Und dann sollten die Engelschöre dran kommen. Eigentlich...
Nee, die sind auf diesem Album leider nix & mies. Lea Mies und Steffi Nix - das sind tatsächlich ihre bürgerlichen Namen - legten einen Zuckerguss der Unbeschreiblichkeit auf dieses Gitarrengeballer, den man einfach gehört haben muss, um es zu glauben. Da soll jeder erst einmal selber Worte zu finden. Steffis schier unendliche Range verzahnt sich mit Leas Pop-Sensibilitäten, bereits vor zehn Jahren waren sie das Doppel-X Chromosom der Andy Brings Band, diese Songs und dieser Stil sind ihr Butter & Brot. Wobei ihnen das nicht gerecht wird, vielmehr machen die beiden Ausnahme-Chanteusen diese Songs erst zu dem, was sie sind.
Damals wie heute.
Jede Band braucht ihre graue Eminenz, bei dieser Gang ist dies ohne Zweifel die ganz und gar nicht graue Popo Chanel. Visuals aller Art sind ihr Metier, ob mental, an der Kamera, oder als Hair-Makeup Artist der Großen. Als Coach, ruhige Seele und chirurgisch präziser Blick in die Seelen aller Beteiligten hielt sie bei diesem schwergewichtigen Projekt die Zügel in der Hand und sorgte dafür, dass es einfach und leichtfüßig blieb. Aber vergesst nicht, make it look easy ist etwas grundsätzlich Anderes als easy.
Womit haben wir es denn also nun hier zu tun? Mit einem verzogenen Haufen an Rock'n'Rollern, der einfach nur mal Urlaub gemacht hat? Cervezas knallen und mal rauskommen nach dem ganzen 2020-Dreck? Oder haben wir es mit ein paar ausgecheckten Cats zu tun, die es verstanden haben? Und wenn, was? Eine einzigartige Fusion aus NDW und harten, auf den Punkt gespielten, ohne auch nur ein Iota echten Rock'n'Roll-Swagger einzubüßen? Nun, die Wahrheit, sollte es die heutzutage überhaupt noch geben, liegt irgendwo dazwischen.
Andy Brings jedenfalls hat seine eigene Wahrheit gefunden. In der Sonne nämlich. Und die strahlt aus jedem dieser 11 Songs, ob bei Andys Schmachten auf "Schlaflos", Vics Atomuhr-Drumming auf "Tut mir leid", Slicks genereller strictly downstrokes-Attitüde, oder Thilos 1-Minuten-Solo auf "Lass das Licht noch an" auf der studioeigenen Les Paul Custom in Nikotin-Weiß. Und dann on top wie gesagt die Engel...
Hier regiert der schiere Bock an der Sache. Und das sollte zu hören sein. Wer es nicht hört, spürt es. Wer es nicht spürt, ist tot.
Andy Brings & Band – Süden erscheint am 10.06.2022 digital und physisch und bietet sich an, euer Leben zu verbessern. Ihr müsst es nur wollen. Ach Quatsch, gar nichts müsst ihr, genauso wenig wie diese Band.